Wenn mir eine junge, völlig unerfahrene Frau folgendes erzählt:
• ich bin total verliebt
• als wir uns näher gekommen sind, wollte er, dass ich einen Sklavenvertrag unterschreibe oder eben gehe
• ich hab überhaupt keine Ahnung, worum es eigentlich geht und ich trau mich auch nicht, ihn zu fragen; von sich aus erklärt er mir nichts
• irgendwie reagiert er auch so wütend, wenn ich unsicher bin
• bevor wir das erste Mal ins Spielzimmer gegangen sind, hat er mir Alkohol gegeben
... dann würde ich sagen "Mädel, nimm die Beine in die Hand"
ein paar Wochen später erzählt sie mir dann:
• er hat mein Safeword ignoriert
• ich habe mich getrennt, seitdem fühle ich mich verfolgt (im Buch: er kauft die Firma, in der sie arbeitet...)
• Stalking
.... dann würde ich ihr sagen, dass es Frauenhäuser gibt, dass man ein Kontaktverbot erwirken kann und dass sie dringend Hilfe braucht.
Deshalb ist 50 Shades of Grey für mich kein BDSM. Weil Konsens nur dann bestehen kann, wenn beide wissen, worum es eigentlich geht. Und wenn der erfahrenere Part dem unerfahrenen die Chance gibt, selbst zu entscheiden. Dass Grey hier nicht nur als absoluter (natürlich angemessen düsterer) gutaussehender und reicher Traummann erscheint, ändert daran nichts. Consensual Non-Con kann man machen. Aber eben nicht mit jemandem, der noch nicht einmal "normale" Sexualität erlebt hat. Wenn es eine solche Diskrepanz in der Erfahrung gibt, liegt es am erfahreneren Part, den Anderen da abzuholen, wo dieser steht. Das bedeutet in erster Linie Aufklärung (und nein, ein Laptop schenken reicht da einfach nicht aus).
So einfach ist das.
Natürlich sehe ich durchaus den unterhaltsamen Aspekt, die Bücher und Filme sind erfolgreich und das muss ich anerkennen, ob sie mir jetzt gefallen oder nicht. Ich verurteile auch niemanden, der das gut findet, über Geschmack lässt sich kaum streiten. Ich finde die Bücher fürchterlich schlecht geschrieben und die Hauptdarsteller der Filme sind für mich persönlich deutlich so weit von der Materie BDSM entfernt, dass es nicht glaubwürdig ist. Trotzdem verstehe ich sehr gut, dass gerade Menschen, die ihre Neigungen lange unterdrückt haben oder noch gar nicht kannten, vielleicht gerade dadurch, durch den Hype, den Mut gefunden haben, in die Thematik einzutauchen.
Aber das hat natürlich auch Einfluss auf die Einzelnen (oft Neugierige, die eben jene oben genannte Punkte mangels Wissen nicht verstehen), die dann auch gerne mal in die BDSM-Szene schnuppern. Und entweder bleiben oder feststellen "verdammt, die tun sich ja echt weh". Das ist auch völlig ok, solange es eben einen Konsens gibt und den kann es nur geben, wenn beide Beteiligten wissen, worum es eigentlich geht.
Es ist und bleibt eine Schmonzette, am Ende heilt sie ihn ja sogar von seinen schlechten Erfahrungen, seinem krankhaften Sadismus und seiner Unfähigkeit zur Liebe. Mehr Klischee geht fast nicht...
... gerade für die Anfänger finde ich es aber wichtig, auf all das hinzuweisen, was in SoG nicht gut läuft. Was in meinen Augen eben nicht BDSM ist, weil es non-con ist und das für jemand völlig Unbedarften schlichtweg gefährlich ist.
Worum es aber in dem EP geht:
warum werden Klischees auf Einzelne angewendet?
Wieso wird BDSM mit SoG verglichen?
Ganz einfach, weil SoG mainstream-tauglich ist. Das erweitert den Pool möglicher Partner/innen. Und es ist so einfach, wenn man sich nicht tiefer mit der Materie befasst als in Buch oder Film dargestellt.
Weil es an tiefer gehender Information fehlt (SoG liefert da eher wenig).
Und weil so manch Eine/Einer dem Klischee nur allzu gern entspricht. Ich denke da sowohl an die völlig tabulosen (und erfahrungslosen) Subs als auch an die sich völlig überschätzenden Doms, die so gerne was sein wollen, was sie (noch) gar nicht sein können.
Profil zeigen hilft da. Persönlichkeit und Klischee stehen sich meist diametral gegenüber.
Meinung haben und dazu stehen, sie im Zweifel auch verteidigen. Das ist wirklich dominant im Gegensatz zum Grey'schen Reichtum und Einfluss.
Transparent sein, was Erwartungen angeht und das dem Anderen auch vollumfänglich kommunizieren können. Den weniger erfahrenen Part da abholen, wo er/sie steht.
Und eigenes Können (gerade im SM-Bereich für mich persönlich wichtig, weil ich als Masochistin Ansprüche habe, die über "ich treffe mit dem Teppichklopfer ungefähr auf den Arsch" hinausgehen).
Sperling