Tabu-Listen: Ultima Ratio oder Tabularasa?
BDSM ist ja nicht frei von Listen.Da gibt es zum einen die Neigungslisten. Dort wird aufgelistet, was man kennt, mag oder ausprobieren möchte. Dieses Vorgehen ist nicht unüblich, wenn sich Spielpartner gerade aufeinander einstellen, und sogar Standard bei Veranstaltungen, auf denen Subs anderen zur Verfügung gestellt werden, beispielsweise „Ohrfeigen: Ja/Nein/Absprache“. Im Zweifelsfall fragt man einfach, deutet das letzte an.
Sinn dieser Listen ist es wohl, nicht nur die Vorlieben, sondern auch die Grenzen abzubilden, nach denen sich der Umgang mit der Sub zu richten hat. Vielleicht ist die stillschweigende Erwartung dahinter, dass die Adressaten die Einträge auf der Liste richtig interpretieren, diese zueinander in Beziehung setzen und von dort abstrahieren, sodass sie weitere mögliche, unbekannte, implizite Tabus daraus ableiten.
Explizite Tabus dagegen stehen auf Tabu-Listen. Diese sind im Fall dieser Neigungsbögen integriert und werden in kleinen Notizfeldern festgehalten. Da schreibt man dann so Sachen rein, die man als Tabu ansieht, etwa „Würgen“. Nun liest ein Top das alles und spuckt Sub im Eifer des Gefechts an, die daraufhin abstürzt, weil es sich als üble persönliche Grenzverletzung erweist. Hinter der Grenze liegt damit das Tabu.
Nun stellt sich die Frage: Können Tabu-Listen überhaupt von echtem Nutzen sein?
Hier im JoyClub ist unter „Mag ich nicht“ die weitverbreitete Floskel zu finden: „Kinder, Tiere und alles, was ins Klo gehört“. Ist damit alles gesagt? Doch falls dem nicht so ist, warum schreibt man das überhaupt - oder an völlig unbekannte Leser so etwas wie „tabulos“?
Denn es gibt so viele hypothetische Handlungen im BDSM, die ein Top vollziehen könnte, dass diese gar nicht durch eine noch so detaillierte Tabu-Liste abgedeckt sein könnten. Das muss beispielsweise nicht einmal der spektakuläre Einsatz von Brennpaste und Feuerzeug sein. Die möglichen Tabus jenseits der persönlichen Grenzen können jenseits der eigenen Vorstellungskraft lauern.
Nicht nur aus diesen Gründen verzichten manche völlig auf Tabu-Listen, sondern auch, weil sie das Gefühl des völligen Ausgeliefertseins mögen oder ein Topping from the bottom mittels Listen fürchten. Oder weil sie die Erfahrung gemacht haben, dass Papier geduldig ist.
These: Eine Tabu-Liste hat weniger eine Schutzfunktion, sondern eher eine Kommunikationsfunktion. So wäre freilich nahezu alles letztlich Vertrauens-, Auslegungs- und Verhandlungssache.
Wie steht Ihr dazu?