Meine Antworten (nur ganz kurz)
Auch von mir ein paar kurze Antworten.
Gerne diskutiere/erörtere ich mit Dir auch Details und meine ausführliche Sicht in einer privaten Unterhaltung (hier, per Chat, Messenger etc.), falls Du Interesse an einer detaillierteren Sicht hast, der inzwischen auch einige Recherche meinerseits über die Jahre zugrunde liegt.
Wie würdest du sagen ist das Bild bisher in der Gesellschaft von BDSM?
Sehr divergent, zumindest jedenfalls nicht homogen - was bei den vielfältigen Ausprägungsformen nicht unbedingt ein Wunder ist. Von vollumfänglicher Akzeptanz/Interesse über Gleichgültigkeit (leben und leben lassen) bis hin zu harscher Ablehnung und unbelehrbarer Intoleranz ist alles vorhanden. Nach meiner Erfahrung erfährt BDSM in der Gesellschaft zumindest aber immer noch eine größere/stärkere Stigmatisierung, als beispielsweise Homosexualität, was m.E.n. daran liegen mag, dass zumindest subjektiv jeder mehr zum Metathema "Gewalt" zu wissen und zu sagen glaubt (als bspw. zum Thema "homophile Veranlagung") und deshalb auch zum Thema "Gewalt innerhalb der Sexualität" sich rascher/deutlicher eine Meinung/Haltung/Position bildet (bzw. zu bilden können glaubt) ... welche konsequenterweise in Unkenntnis der wirklichen Gemengelage oft oder sehr häufig gleichermaßen zu pauschal, zu indfferenziert oder schlichtweg falsch ist. Viel mehr Menschen trauen sich ein Urteil über Gewalt zu, als eines über Homoerotik, denn Gewalt ist per se eher ein Alltagsbegriff, den jeder einigermaßen einzuordnen weiss. Homoerotik ist dies nicht ... und homoerotische Phantasien kann nur realistisch einordnen, wer sie auch hat. Deshalb trauen sich viel mehr Menschen zu, sich auch ein Urteil über Gewalt in Verbindung mit der Sexualität erlauben zu können - selbst wenn dies a) etwas anderes ist b) sie selbst keine Phantasien oder Veranlagungen dazu haben. Die negative Konnotation von Gewalt an sich wird dann in die Konnotation von Gewalt in der Sexualität schlicht übertragen. So zumindest ist es mir von einer Sexualwissenschaftlerin einmal sehr plausibel dargestellt worden, weshalb ich es in meinen persönlichen, gedanklichen Kanon zu und über BDSM übernommen habe.
Inwieweit hat sich dies durch 50 Shades of Grey verändert?
Man sollte meiner Meinung nach den Einfluß von "Mainstream-Werken"
(wie 50SoG) weder über- noch unterschätzen. Solche Werke hat es immer schon gegeben und sie tauchen (wie Modeerscheinungen) häufig in Wellen oder in zyklischen Abständen in der Gesellschaft auf (es seien an dieser Stelle exemplarisch nur einmal autobiographische oder dokumentarische Bücher wie zB. von Sina-Aline Geißler genannt, viele Romane, die diversen O-Verfilmungen oder andere BDSM-lastige Filme wie zB. "Secretary" oder "Belle De Jour", oder Filme, die sich explizit mit dem Thema beschäftigen wie zB. "Der SM-Richter"). Je nach Qualität und Verbreitung sind solche Werke dabei durchaus in der Lage, die Wahrnehmung in der Gesellschaft zu verändern (was erst einmal nichts heissen mag, denn es ist immer sowohl eine Veränderung zum Positiven, wie zum Negativen denkbar). Das einzelne Werk mag dabei nicht viel ausmachen, aber über die Dauer der Zeit rückt das Thema durch die Summe der einzelnen Werke (Roman, Film, Dokumentation etc.), unabhängig von der darin getroffenen Wertung über das Thema, zumindestens schrittchenweise
("Steter Tropfen hölt den Stein") aus der Dunkelheit in die "Tageslichtwahrnehmung" der Gesellschaft. Mittels solcher Veröffentlichungen und BDSM-Annäherungsversuche stellt sich häufig schlichtweg eine wachsende Normalität ein (es wird nach und nach "gewöhnlicher", sprich weniger etwas "Fremdes" oder "Besonderes"), was meist auch mit einem langsamen, aber stetigen Anstieg der allgemeinen Akzeptanz einhergeht (wie es letztlich bei fast Allem in der menschlichen Geschichte der Fall war - was zu Beginn schockierendes "Teufelswerk" und jenseits jeglicher Konformität war, gehört heute inzwischen oft zur Normalität).
Siehst du Bedarf darin, BDSM "richtig" darzustellen und wie würdest du dir wünschen das BDSM in der Gesellschaft dargestellt wird?
Aber ja! "Aufklärung" war nicht nur
eine wichtige Epoche. "Glasnost" nicht nur eine Strömung in der UDSSR. Solange das weltweit gültige und für deutsche Ärzte verbindliche Diagnose-Schema ICD-10 nicht imstande ist, zwischen sadistischen Gewalttaten und einvernehmlichen BDSM-Praktiken zu differenzieren, solange BDSMler laut dieses Codex also immer noch als potentiell "krank" gelten, solange in der Bevölkerung BDSM (bezeichnenderweise zumeist in der großen Masse nur "SM" oder "Sadomaso" genannt - noch immer kennen und verwenden die wenigsten, bis auf Insider, den
Vier-Buchstaben-Kürzel!) tendenziell negativ konnotiert ist oder in die Nähe des Begriffes "pervers" rückt, solange ist Bedarf und bleibt Bedarf bestehen.
Und "wie" sollte BDSM dargestellt werden? Authentisch, transparent, vielfältig, "bunt", ohne dogmatische Pauschalisierungen und Vorverurteilungen, spannend (im Falle von künstlerischen Darstellungen wie Romanen, Filmen etc.) und bestenfalls als ein weiteres Beispiel für gelebte Kreativität und freie Selbstbestimmung des menschlichen Geistes ... und last but not least: Als mögliche, gelebte Ausdrucksform von Zuneigung oder sogar Liebe zwischen zwei Individuen.
Welcher Bedarf an Medien wäre noch wünschenswert? (Bücher, Bildband, Film, Doku?)
Jeder! Jedes Medium, jedes Genre hat dabei seine eigenen Vor- und Nachteile.
Sofern dokumentarisch, dann gut recherchiert, wohlwollend, (ergebnis-)offen, authentisch, ehrlich, vorurteilsfrei, transparent, spannend, schonungslos/respektvoll und bei alledem quell-überprüfbar; sofern künstlerisch, dann über das zuvor Genannte hinaus auch bestenfalls noch abwechslungsreich, kreativ, perspektiverweiternd, unterhaltsam, be-/anrührend etc. - wie es für jeden guten Spielfilm, Roman etc. auch gilt.
Soweit meine kurz beschriebene Sicht auf Deine Fragen...