Nicht Fisch, nicht Fleisch...?
Ich würde gern über einen Punkt sprechen, der mich immer wieder wundert, wenn ich in Foren wie diesem hier lese. Dabei stellt sich ein gefühlter Konflikt ein, von dem ich nicht weiß:a) Ob er tatsächlich so vorliegt oder
b) Ob es dabei nur mir so geht
c) Ob viele das gleiche fühlen, aber im Stillen
d) ….
Das wird ein bisschen länger, ich sage es gleich vorneweg.
Um meine Frage zu beschreiben, muss ich zwei Dinge erklären:
1.
Ich möchte zunächst ein paar grobe Dinge zu meiner Person sagen: Ich kenne meine Neigungen, seit ich ziemlich klein bin. Schon frühe Doktorspiele haben im Nachhinein fast schon klischeehaften Charakter gehabt. Ich versuche dementsprechend seit etwa 30 Jahren, mein Leben so zu gestalten, dass ich meinen Leidenschaften möglichst gut nachkommen kann. Dafür habe ich einiges durchgemacht, was nicht immer nur schön war. Ich habe auch in meiner jetzigen Beziehung daran arbeiten müssen, dass sie so läuft wie sie es zurzeit tut. Dafür setze ich meine sehr gute Beziehung einem nicht unerheblichen Risiko aus.
Ich erzähle das alles, um ungefähr ein Bild davon zu geben, welchen Stellenwert BDSM in meinem Leben hat – und zwar einen ziemlich hohen!
Dabei ist allerdings anzumerken, dass es für mich eine rein sexuelle Spielart ist, und auch nicht die einzige, in der ich Sex genießen kann. Wie man halt so schön sagt: „Die schönste Nebensache der Welt“.
Viele meiner Freunde und aus meiner Familie wissen, wie ich ticke, aber ich trage keine offenen Zeichen und binde es nicht jedem auf die Nase. Das würde auch beruflich nicht gehen, außerdem finde ich nicht, dass meine sexuelle Präferenz jeden etwas angeht. Sie ist ein fester Teil meines Charakters, aber sie prägt ihn nicht maßgeblich.
Sie ist jedoch ausreichend stark, und das ist ein entscheidender Punkt, dass ich mich unter Stinos ziemlich exotisch fühle und mir klar ist, dass eine monogame Beziehung mit einem solchen immer eine Lücke in mir hinterlassen würde.
2.
Ich bin froh über das Internet und Möglichkeiten wie den Joy, wo man unkompliziert in Kontakt mit Gleichgesinnten kommt.
Wenn ich dann in Foren wie diesem bin, begegnet mir häufig eine vergleichbare Situation in unterschiedlichen Kontexten. Das läuft folgendermaßen ab:
Es kommt eine Frage auf, die mich interessiert. Man liest sich die Frage durch, vielleicht auch ein paar Antworten. Oder man gibt zwischendurch selbst seinen Senf dazu, und verfolgt das Gespräch im Anschluss weiter. Früher oder später kommen Aussagen von Leuten, die weitaus „weitgreifendere“ Formen von BDSM leben als ich.
--- An der Stelle möchte ich etwas einschieben, weil die eine oder andere Aussage für manche negativ klingen könnte: Ich bin ein sehr toleranter Mensch, und ich gönne jedem seine eigene Art, sich auszuleben. Ich möchte niemanden in der Art und Weise kritisieren, wie er BDSM versteht und/oder lebt. Ich merke nur, dass es Unterschiede zu mir gibt, die ich deutlich machen möchte. Also bitte nicht angegriffen fühlen ---
Mein Gefühl ist in solchen Forendiskussionen, dass die Behandlung der Themen sich verschiebt. Dass die Ansichten von gemäßigteren Vertretern der Zunft weniger werden, und dann hauptsächlich von Leuten diskutiert wird, die BDSM als Lebenseinstellung sehen und nicht als ein Spiel, in dem man für eine vorgegebene Zeit in Rollen schlüpft.
An der Stelle setzt meine eigentliche Frage(n) an. Ich habe kein Problem damit, was die Leute sagen und worüber sie fachsimpeln. Aber es spricht mich nicht mehr an. Ich will weder dauerhaft keuschgehalten werden noch TPE leben. Und die Ansichten und Ratschläge von Leuten, die so leben, helfen mir dementsprechend auch selten weiter, auch wenn es ursprünglich häufig um Fragen ging, die ich interessant fand.
Mir drängt sich dann das Gefühl auf, dass ich für Stinos zu abgedreht und für einschlägige Foren wie dieses hier zu „soft“ bin. Das ist das Gefühl aus dem Titel. Dass ich zwischen diesen Stühlen sitze. (Anm.: In der SZ war das noch viel extremer, aber hier ist es immer noch vorhanden)
Bin ich damit wirklich in der Minderheit?
Ein seltener Hybrid, der in beide Systeme nicht richtig reinpasst? Jaja, jeder interpretiert BDSM auf seine Art und ist mit seiner Vorstellung letztlich allein. Aber es muss doch mehr Menschen in der Grauzone zwischen Kuschelsex und 24/7 geben als an den äußeren Enden der Skala.
Ist es möglich, dass manche ähnlich empfinden wie ich, aber solchen Stellen aus den Diskussionen aussteigen – so wie ich? Ich finde es häufig einschüchternd, was dann für Äußerungen kommen, und tue mir schwer, danach den Fokus wieder auf meine „halbherzige“ Ansicht zurückzulenken.
Geht es anderen auch so, dass sie sich mehr Ansichten und Ratschläge von anderen „halbherzigen“ Vertretern wünschen würden?
Und an die „Vollblut“-BDSMler: Wie nehmt ihr Ansichten von Leuten wahr, für die BDSM nur ein schönes Spiel ist, aber keine Lebenseinstellung?
Ich bin sehr gespannt auf eure Meinungen und Antworten!
Viele Grüße,
Famulo