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ein Erfahrungsbericht
Devotion
Hallo allerseits!
Was ich persönlich als Haupt-Problem mit "Wunschzetteln" und "Wunschzettelsubs" ansehe, ist der
Missbrauch(!) dieser Begriffe beim Kennenlernen im Joy. Sie verhindern die notwendige Kommunikation.
Das Joy ist, was Thema Erotik betrifft, meine erste Internetplattform. Mit der Szene hatte ich - bis auf ein kurzes Umschauen in der SZ vor über einem Jahrzehnt - nie was am Hut. Ich bewegte mich in dem Grenzbereich zwischen Vanilla, BDSM und Tantra. Mir ging es vor allem um das Führen und Geführt werden (Switcher), kaum um SM (damit habe ich extrem schlechte Erfahrungen).
Das Kennenlernen über eine Sex & Erotikplattform war also völliges Neuland für mich. Und als die Männer das Gespräch sehr schnell auf Sex brachten, dachte ich, dies sei hier Usus. Ich dachte an ein offenes Gespräch über Vorlieben, Phantasien und Wünsche. Ich wollte gerne tiefer ins BDSM einsteigen und mir über so einige meiner ungelebten Wünsche Klarheit verschaffen. Wollte einen Mann finden, der in etwa in dieselbe Richtung strebte, um diese gemeinsam auszuleben.
Die große Mehrheit der Männer erzählte ungern über ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen. Gaben mir keinen Orientierungspunkt. Ich solle beginnen.. Gefiel mein Wunsch, sprang er begeistert darauf an. Gefiel mein Wunsch nicht, kam regelmäßig etwas wie "Ich bediene keine Wunschzettel-Subs!"
Da verging mir immer mehr die Lust über meine Wünsche zu erzählen. Zugleich stieg meine Sehnsucht nach einem Mann, der nicht bloß behauptet, er sei erfahren, sondern tatsächlich von seinen Erfahrungen erzählt. Mir Orientierung gibt. Also ging ich nicht mehr darauf ein, wenn er so höflich sein wollte, mir den Vortritt zu lassen. Viele Männer wollten "die Katze im Sack" bleiben und ich beendete den Kontakt.
Und die anderen? Nun, wenn ich Gefallen an seinen Wünschen fand, war die Welt natürlich voll in Ordnung. Wenn ich jedoch sagte, XY käme für mich frühestens nach drei Monaten, nach einem Jahr oder in einer festen Partnerschaft in Betracht oder sei für mich ein Tabu... Tja, dann waren wir wieder sofort bei Wunschzettelsub. Wenn ich Sub sein wolle, dann hätte ich mich nach seinen Wünschen zu richten. Er sei Dom. Solche Vorgaben ließe er sich nicht machen. BDSM ginge anders.
Eine Weile ließ ich mich dadurch arg verunsichern. Einfach, weil es so viele waren, die derart argumentierten. Und die Wunschzettel-threads im Joy sind auch gefüllt mit dieser Argumentation.
• Wie sollte ich überhaupt mit der Forderungen, einfach alles auf mich zukommen zu lassen, umgehen?
• Wie sollte ich eine Grenze oder ein Tabu benennen, welches ist noch nicht kenne?
• Warum ist es nicht in Ordnung vorab über Wünsche zu reden? - So dass ich die Gelegenheit habe, Dinge auszuschließen.
• Bedeutet Devot-Sein überhaupt keine Grenzen zu setzen und Tabus zu haben?
Nun, dann wäre ich nicht devot, obwohl meine Devotion bereits Arztbesuche erforderlich machte. Obwohl mir nahezu alle meiner bisherigen dominanten Partner gesagt hatten, dass ich zu devot sei. Dass ich zu tief eintauchen würde und mehr auf mich achten müsse. Wenn ich da drin bin, kann ich Schmerzen nicht mehr richtig anzeigen, geschweige denn irgendein Stoppwort gebrauchen. Und ein Dom ist auch kein Hellseher. Bin ich wenn ich den dominanten Part inne habe ja auch nicht. Daraus ergibt sich für mich die Notwendigkeit, zunächst bei sehr harmlosen Dingen anzufangen und sich intensiv kennenzulernen. Eben damit ich nicht schon wieder beim Arzt lande! Ich kenne mich doch. Ich fürchtete mich doch zu Recht vor meiner devoten Ader!
Also nahm ich Abstand von Dates über das Joy. Zog mich zurück. Das Joy nutze ich seitdem nur noch als Foristin. Denn das, was hier massenhaft unter der Überschrift "Keine Wunschzettel!" läuft, das kann nicht gesund sein.